Hildesheim

Von der Raststelle an der Innerstefurt – bis zur Schwelle der Großstadt.

Am Beginn Hildesheims stand eine Furt durch die Innerste, eines Flüßchens aus dem Harz. Durch sie zogen die Fernhandelskaufleute, wenn sie vom Rhein zur Elbe und von der Elbe zum Rhein wollten. Im 7. Jahrhundert wurde über ihr eine Raststelle angelegt und entlang der Straße ein Markt, auf dem sich allmählich ein reges wirtschaftliches Leben entfaltete. Das war für Ludwig den Fromen um 815 der Anlaß, den Sitz des von seinem Vater, Karl dem Großen, zur Missionierung der Sachsen gegründeten Bistums hierher zu verlegen. In die bescheidene Siedlung zog nun eine zahlreiche Gastlichkeit ein, die glanzvolle kirchliche Feste feierte. Um das Jahr 1000 erhielt die aufstrebende Siedlung das Marktrecht.

Zur gleichen Zeit lebte Bischof Bernward, der nicht nur ein hoher Kirchenfürst war, sondern gleichermaßen auch ein Künstler und Baumeister von hohen Gnaden. Auf ihn geht der Bau der Gottesburg St. Michael zurück, und ihm sind die berühmten Bronzearbeiten im Dom zu verdanken: die Christussäule, die Erztüren (1015), eine Bilderbibel von Eindringlicher Darstellungskraft. Bernward legte damit den Grund zu Hildesheims künstlerischer Bedeutung. Sein Nachfolger auf dem Bischofssitz, Godehard, war ebenfals ein baufreudiger Herr. Sein Ruf verbreitete sich über ganz Europa, und das Gotthard-Masiv wie der St.-Gotthard-Paß in der Schweiz sind nach ihm bennat. Bernward und Godehard wurden später heilig gesprochen.

Beim Tode Godehards war der Markt bereits etwas nach Osten verlagert (1038), auf den Andreasplatz, den eine Nord-Süd-Handelsstraße von den Küstenhäfen nach den großen Handelszentren Süddeutschlands berührte. Am Andreasplatz stand neben der Hauptpfarr- und Bügerkirche auch das erste Gemeindehaus. Es wird 1217 erstmals erwähnt.

Im 13. Jahrhundert dehnte sich die wachsende Siedlung weiter nach Nordostten zum heutigen Marktplatz aus. Es ist die Zeit, in der das Rathaus auf dem Platz entstand, wo es heute noch steht. Mit seinen älteren Bauteilen reicht es in die Zeit zwischen 1268 und 1290 zurück. Um das Jahr 1300 gaben sich die Bürger dann das Stadtrecht.
Die Stadt und Haupstadt des gleichnamigen Bistums stand im fehderreichen Mittelalter bald an der Seite ihres bischöflichen Landesherrn, bald gegen ihn im Bund mit anderen niedersächsischen Städten. Um sie zu zügeln und in den Griff zu bekommen, erbaute der Bischof 1310 die nördliche Zwingburg Steuerwald („Steuere der Gewalt“) und 1346 die südliche Marienburg die nach der Hauptpatronin des Bistums bennant ist. Angeregt durch das das blühende wirtschaftliche Leben entstanden im ausgehenden 13. Jahrhundert zwei „Vorort“-Siedlungen, die Dammstadt und die Neustadt. In der Dammstadt, in der Innerste-Niderungen gelegen, waren flanderische Tuchweber angesiedelt worden. Ihr Fleiß und ihre Tüchtigkeit ließen sie bald zu einer starken Konkurrenz für das eingesessene Handwerk werden. Das führte in der Weihnachtsnacht 1332 zu einer schrecklichen Bluttat. Die Hildesheimer Bürger überfielen die Dammstadt und vernichteten alles Leben in ihr. Männer und Frauen, Kinder und Greise, selbst der Priester am Altar fanden den Tod. Die Fehden mit der Neustadt verliefen weniger blutig. Über eine „Union“ (1583) kam es 1803 endlich zur Fusion der Alt- und Neustadt.

Das 14. sowie 15. Jahrhundert und zum Teil noch das 16. Jahrhundert brachten die Blütezeit der Stadt. Aus jener Zeit stammten die kunstvollen Bürgerbauten – darunter das weltbekannte Knochenhaueramtshaus, das Zunfthaus der Hildesheimer Fleischer-, die Hildesheim zum Nürnberg des Nordens gemacht haben. In dieser Zeit dringen aber auch die landesherrlichen Gewalten immer weiter vor. Im Kampf mit ihnen verlor der Bischof in der sogenannten „Stiftsfehde“ (1519 bis 1523) den größten Teil seines Stiftsgebietes an die Welfen. 1542 führte ein enger Mitarbeiter Matin Luthers, Johannes Bugenhagen, die Reformation in Hildesheim ein. Das „kleine Stift“ konnte dem katholischen Glauben erhalten bleiben. So kommt es, daß die Bischofsstadt Hildesheim bis heute etwa zwei Drittel Protestanten und ein Drittel Katholiken in Ihren Mauern zählt. 1643, fünf Jahre vor dem Ende des 30jährigen Krieges, erhielt der Bischof nach einem fast hundertjährigen Prozeß die landesherrliche Gewalt über den größten Teil seines früheren Stiftsgebietes wieder zurück. An dem Konfessionenverhältnis änderte sich dadurch aber nichts mehr.

Schlimm waren die Leiden, die die Stadt während der großen europäischen Kriege – dem 30jährigen Krieg und dem 7jährigen Krieg erdulden mußte. Vor allem der dreißigjährige Krieg schlug schwere Wunden. Die Kraft der Bürgerschaft wie die ihrens Landsherrn war gebrochen. Die weitere wirtschaftliche Entwicklung konnte sich nur noch in bescheidenem Rahmen vollziehen.

Nach der Auflösung des Deutschen Reiches zu Beginn des 19. Jahrhunderts übernahm Prußen 1802/03 die Herrschaft über das „Fürstentum Hildesheim“. 1806 wurde Hildesheim zu den neu gegründeten Königreich Westphalen geschlagen, in dem Jerome, Napoleons jüngster Bruder, als „König Lustik“ von Kassel aus regierte. Neun Jahre später – nach dessen Ende 1866 wieder an Preußen.

 
Im neuen deutschen Kaiserreich sprengte Hildeheim seine mittelalterlichen Fesseln: Wälle, Gräben und Tore verschwanden bis auf wenige Reste. 1911 wurde Moritzberg, 1912 Steuerwald eingemeindet, auf dessen Gelände die Stadt 1928 einen Hafen aushob, der durch einen Stichkanal mit dem Mittellandkanal und damit dem binnendeutschen Wassernetz verbunden ist. 1938 vergrößerte sich das Hildesheimer Stadtgebiet um Neuhof und Drispenstedt.
Am 22. März 1945 zerstörten britische Bomber in wenigen Minuten den einzigartigen schönen Stadtkern mit der Fülle seiner Fachwerkbauten. Zum Gedenken an diesen Tag entzündet der Oberbürgermeister der Stadt an jdem 22. März in der Rathaushalle eine Kerze vor dem Relief des unvergessenen Knochenhaueramtshauses.
Inzwischen ist eine neue Stadt entstanden, die ihrem Wachstum steht sie an der Schwelle zur Großstadt. Nach wie vor ist sie an Kunstschätzen reich und birgt mit den erhalten gebliebenen Baudenkmälern zahlreiche Kostbarkeiten.